Aktuelles

Statement zur Schließung des Filmturms

In letzter Zeit wurde die Gedenkstätte Bergen-Belsen vermehrt gefragt, weshalb wir die historischen Aufnahmen im Filmturm der Ausstellung derzeit nicht mehr zeigen. Diese Entscheidung wurde von uns nicht leichtfertig getroffen, da auch wir diese Filmaufnahmen als bedeutende Quellen erachten. Weshalb wir uns trotzdem dagegen entschieden haben, das Filmmaterial weiterhin in seiner jetzigen Form zu zeigen, möchten wir hier kurz begründen.

 

Ziel unserer Arbeit ist, mit unseren unterschiedlichen Bildungsangeboten (unter anderem Ausstellungen, Führungen, Seminare und digitale Angebote) die Erinnerung an das Leid der Opfer aufrecht zu erhalten und durch das Nachdenken über das Handeln der Täter_innen und Zuschauer_innen für ein demokratisches Miteinander in der Gegenwart zu sensibilisieren.
Die Frage, ob und welche Gewaltdarstellungen in Ausstellungen zur Geschichte des Nationalsozialismus gezeigt werden sollen und dürfen, beschäftigt Gedenkorte seit Jahrzehnten. Wir sind uns bewusst, dass wir nicht gänzlich auf Gewaltdarstellungen verzichten können, um unser Publikum nicht mit der Vorstellung zu entlassen, das Geschehene sei harmlos gewesen, gar harmloser als aktuelle Kriege, Konflikte und Menschenrechtsverletzungen, deren Bilder in den Nachrichten tagtäglich verbreitet werden.

 

Dass wir den Film in seiner jetzigen Form aktuell nicht zeigen, hat im Wesentlichen drei Gründe:

 

  • Der erste Grund bezieht sich auf die Rezipient_innen, das Publikum, das aus dieser Geschichte etwas lernen soll. Studien haben gezeigt, dass Besucher_innen (insbesondere Jugendliche) von Gewaltdarstellungen derart überwältigt und überfordert wurden, dass sie Gedenkstätten nicht mit der – von uns erhofften – Einstellung „Nie wieder soll so etwas geschehen“ verlassen haben, sondern für sich die Schlussfolgerung gezogen haben „Nie wieder möchte ich etwas mit dieser Geschichte zu tun haben“. Es ist vielfach nachgewiesen worden, dass Empathie nicht mit „anonymen Leichenbergen“, sondern besser über die Vorstellung von Einzelschicksalen hervorgerufen werden kann.
  • Der zweite Grund ist nicht weniger wichtig: Hier geht es um die Würde der Opfer. Es gilt immer wieder neu abzuwägen, ob nicht auch Gedenkstätten mit Abbildungen, auf denen Opfer in entwürdigenden Situationen ausgestellt waren, die Intention des NS-Regimes fortschreiben würden, die Verfolgten jeder Würde zu berauben. Einige der damals ausgewählten Ausschnitte des britischen Filmmaterials können aus heutiger Sicht als entwürdigend angesehen werden.
  • Der dritte Grund bezieht sich auf die Form des Films: Die Film-Ausschnitte wurden vor 16 Jahren als Dokumente ohne ausführliche Kontextualisierung zusammengestellt. Sie sollten für sich stehen und im Zusammenhang der übrigen Ausstellungselemente verständlich sein. Es braucht allerdings ein hohes Maß an Vorwissen, um alle Informationen der Filmaufnahmen und ihrer historischen Begleitdokumente decodieren zu können. Dies ist u.a. durch den weiter gewachsenen zeitlichen Abstand immer schwieriger.

 

Was bedeutet diese Entscheidung für die Verfügbarkeit von Quellen zu den Gräueln in Bergen-Belsen?

Das gesamte Foto- und Filmmaterial der britischen Befreier ist im Imperial War Museum London archiviert. In unserer Dauerausstellung zeigen wir zahlreiche Fotos, die von den britischen Befreiern gemacht wurden und die das Leid der Lagerinsassen dokumentieren. Zugleich sind wir in einem Diskussionsprozess, wie zukünftig die filmischen Quellen der Befreier in der Gedenkstätte gezeigt und gerahmt werden soll.