Am Volkstrauertag 2019 weihten Vertreter der deutschen Minderheit in Oberschlesien gemeinsam mit deutschen Rechtsextremisten im polnischen Bytom (bis 1945 Beuthen) einen Gedenkstein mit folgender Inschrift ein:
"Zum Gedenken an die gefallenen deutschen Soldaten im 1. und 2. Weltkrieg, an die Selbstschutz- und Freikorpskämpfer und an die ermordeten und unterdrückten Ostdeutschen."
Der „Volksdeutsche Selbstschutz“ stand 1939/40 unter der Leitung der Höheren SS- und Polizeiführer und war für den Mord an Tausenden Polen und Juden verantwortlich. In Oberschlesien unterstand der Selbstschutz SS-Oberführer Fritz Katzmann, einem der schlimmsten NS-Massenmörder während des Zweiten Weltkrieges. Auch der „Selbstschutz Oberschlesien“ von 1921, ein Zusammenschluss von rechtsextremen Freikorpsverbänden, kämpfte brutal gegen polnische Aufständische. Zu ihnen gehörte das Freikorps Oberland, das sich 1923 am Hitler-Putsch in München beteiligte und aus dem Teile der bayerischen SA hervorgingen.
Die in Stein gemeißelte Liste der Spender zeigt, wie stark die AfD im rechtsextremen Milieu verankert ist. Neben dem AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Protschka, der auf seiner Facebook-Seite am 18. November postete: „Mir ist es eine Ehre, diesen Gedenkstein in Oberschlesien mit ermöglicht zu haben“, sind als Spender genannt: die Junge Alternative Berlin und die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem beobachtete Burschenschaft "Markomannia Wien zu Deggendorf". Anfangs waren auf dem Stein als Unterstützer auch die „Jungen Nationalisten“ genannt, die Jugendorganisation der NPD. Allerdings wurde ihr Namenszug später wieder entfernt.
Dieser Gedenkstein ist eine unerträgliche und skandalöse Verherrlichung nationalsozialistischer und rechtsextremer Verbände sowie ein nicht hinnehmbarer Affront gegenüber Polen.
Wir fordern Stephan Protschka (AfD) auf, sein Bundestagsmandat unverzüglich niederzulegen, um weiteren Schaden für die Bundesrepublik Deutschland und das deutsch-polnische Verhältnis abzuwenden.
Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner:
Prof. Dr. Frank Bajohr, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin
Prof. Dr. Michele Barricelli, Ludwig-Maximilians-Universität München
PD Dr. Jochen Böhler, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dr. Christoph Dieckmann, Universität Bern
Prof. Dr. Norbert Frei, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Prof. Dr. Detlef Garbe, KZ-Gedenkstätte Neuengamme
Dr. Elke Gryglewski, Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Berlin
Dr. Hans-Christian Jasch, Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Berlin
Prof. Dr. Volkhard Knigge, Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora
Prof. Dr. Birthe Kundrus, Universität Hamburg
Prof. Dr. Stephan Lehnstaedt, Touro College Berlin
Dr. Thomas Lutz, Leiter des Gedenkstättenreferats, Stiftung Topographie des Terrors, Berlin
Prof. Dr. Gertrud Pickhan, Freie Universität Berlin
Prof. Dr. Dieter Pohl, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Prof. Dr. Joachim v. Puttkamer, Imre Kertész Kolleg Jena
Prof. Dr. Christoph Rass, Universität Osnabrück
Prof. Dr. Dietmar von Reeken, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Prof. Dr. Miriam Rürup, Institut für die Geschichte der deutschen Juden, Hamburg
Prof. Dr. Thomas Sandkühler, Humboldt-Universität Berlin
Prof. Dr. Detlef Schmiechen-Ackermann, Institut für Didaktik der Demokratie, Hannover
Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum, Zentrum für Antisemitismusforschung, Berlin
Prof. Dr. Dirk Schumann, Georg-August-Universität Göttingen
Dr. Jörg Skribeleit, KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
Prof. Dr. Sybille Steinbacher, Goethe-Universität Frankfurt am Main / Fritz Bauer Institut
Prof. Dr. Tatjana Tönsmeyer, Bergische Universität Wuppertal
Prof. Dr. Nikolaus Wachsmann, Birkbeck College, University of London
Dr. Jens-Christian Wagner, Stiftung nieders. Gedenkstätten / Gedenkstätte Bergen-Belsen
Prof. Dr. Michael Wildt, Humboldt-Universität Berlin
Offener Brief (PDF)