• Topics: Pressemitteilung
  • Date: 29th September 2025

IHR SOLLT DIE WAHRHEIT ERBEN - Die Cellistin von Auschwitz

Literatur-Konzerte zu Ehren der Holocaust-Überlebenden Anita Lasker-Wallfisch

Anita Lasker-Wallfisch sitzt der Waschbetonwand auf dem Anne-Frank-PLatz der Gedenkstätte Bergen-Belsen und wird von einer Journalistin interviewt. (Foto: Martin Bein 2015)

Unter den befreiten Häftlingen des Konzentrationslagers Bergen-Belsen am 15. April 1945 befand sich auch Anita Lasker. Nur wenige Monate später, von September bis November desselben Jahres, fand in Lüneburg der erste Bergen-Belsen-Prozess gegen Angehörige des ehemaligen Lagerpersonals statt. Anita war ebenfalls als Zeugin geladen, am 1. Oktober machte sie ihre Aussage. 80 Jahre später würdigen die Schauspielerin Johanna Krumstroh, der Pianist Simon Callaghan und der Cellist Raphael Wallfisch – Anitas Sohn – ihren Beitrag zur Aufklärung der grauenhaften Verbrechen der Nazis mit zwei Literatur-Konzerten. Am 1. Oktober 2025 geben die Künstler*innen ein Konzert im Theater Lüneburg, am Tag darauf in der Gedenkstätte Bergen-Belsen.

 

Lohheide. Anita Lasker-Wallfisch zögerte lange, ehe sie zum Schreiben bereit war. Sie fürchtete, dass ihr Bericht das Leben ihrer Kinder zu tief überschatten würde. Sie wünschte für ihre Familie ein normales Leben – soweit nach Auschwitz „Normalität“ möglich sein konnte. Dieser Versuch verlangte eine Lebenstapferkeit, die sich nicht von selbst verstand. Nach einem halben Jahrhundert schließlich schrieb sie 1996 ihre Erfahrungen auf, 1997 wurden sie erstmalig in deutscher Übersetzung unter dem Titel „IHR SOLLT DIE WAHRHEIT ERBEN - Die Cellistin von Auschwitz“ veröffentlicht.

Anita wuchs zusammen mit ihren älteren Schwestern Marianne und Renate in Breslau in einem behüteten Elternhaus auf. Als die Nationalsozialisten im Januar 1933 an die Macht kamen, war sie sieben Jahre alt. Ausgrenzung und Entrechtung übten einen stetig wachsenden Druck auf die Familie Lasker aus. Doch trotz dieser widrigen Umstände bemühten sich die Eltern um die Förderung von Anitas früh entdeckten musikalischen Talent als Cellistin.

Während es Marianne, der ältesten der drei Schwestern, 1939 gerade noch rechtzeitig gelungen ist, als Begleiterin von einem der letzten Kindertransporte nach England der nationalsozialistischen Massenvernichtung zu entkommen, blieb Anita mit dem Rest der Familie zurück. 1942 wurden die Eltern deportiert und ermordet. Anita und Renate mussten Zwangsarbeit verrichten, bis sie nach einem gescheiterten Fluchtversuch verhaftet wurden. Nach einer langen und harten Zeit im Zuchthaus wurden schließlich auch die beiden Schwestern nach Auschwitz deportiert, dort wurde Anita in das berühmte Mädchenorchester aufgenommen. Später kamen die Schwestern nach Bergen-Belsen, wo sie im April 1945 von der britischen Armee befreit wurden. Anita emigrierte anschließend in das Land ihrer Befreier, gründete eine Familie und machte ihr Talent als Cellistin zum Beruf.

Initiiert und entwickelt hat diese beiden Konzerte die bei Hannover lebende Schauspielerin Johanna Krumstroh, die im Format „Literatur-Konzert“ zahlreiche autobiografische und belletristische Werke mit Musik zu einem besonderen Kunstwerk verbunden hat.

Das jetzige Projekt war Johanna Krumstroh ein besonderes Anliegen: „Vor einigen Jahren hatte ich das Glück, Anita Lasker-Wallfisch bei einer ihrer Lesungen zu erleben – ein zutiefst eindrückliches Erlebnis. Mit einer nicht vorstellbaren Lebenserfahrung, rät uns Anita: "… sprecht miteinander, baut Brücken!" Goldene Worte in der heutigen Zeit.”

Friedrich von Mansberg, der Intendant des Theater Lüneburg erklärt: „Für das Theater Lüneburg bildet die Erinnerungskultur ein wichtiges Schwerpunktthema der aktuellen Spielzeit. In unmittelbarer Sichtweite des Theaters fand ab September 1945 der Prozess gegen die Wachmannschaften des KZ Bergen-Belsen statt. Anita Lasker-Wallfisch, ihre Worte und ihre Musik haben bis heute großes Gewicht. Sie machen Geschichte lebendig und geben Orientierung für Gegenwart und Zukunft. Wir freuen uns sehr, dass Raphael Wallfisch, Simon Callaghan und Johanna Krumstroh für dieses besondere Literatur-Konzert nach Lüneburg kommen!“

Dr. Elke Gryglewski, Geschäftsführerin der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten und Leiterin der Gedenkstätte Bergen-Belsen, sagt: „Wir freuen uns sehr, dieses besondere Konzert zusammen mit dem Theater Lüneburg an zwei Orten anbieten zu können. Gerade die Verbindung aus Text und Musik kann die berührende Biografie Anita Lasker-Wallfischs einem breiten Kreis an Menschen zugänglich machen.“

Dieses Literatur-Konzert besteht aus einem Vortrag zusammengestellter Passagen aus Anitas Autobiografie, verwoben mit Musikwerken, die in ihrer Biographie prägend waren, ausgewählt von ihrem Sohn, Raphael Wallfisch. Beide Veranstaltungen werden ermöglicht mit Unterstützung vom Theater Lüneburg und der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten.

 

Am 1. Oktober 2025 geben die Künstler*innen das Konzert um 20 Uhr im Theater Lüneburg. Der Eintrittspreis richtet sich nach freiwilliger Selbsteinschätzung. Karten können nur direkt beim Theater und nicht über die Gedenkstätte erworben werden. Es sind nur noch wenige Karten verfügbar. 

Das Konzert in der Gedenkstätte Bergen-Belsen findet am 2. Oktober 2025 um 17 Uhr im Dokumentationszentrum statt. Der Eintritt ist frei. Alle verfügbaren Plätze sind bereits ausgebucht.

 

Über die Künstler*innen:

  • Die Schauspielerin Johanna Krumstroh hat LITERATUR-KONZERTE zu ihrem künstlerischen Schwerpunkt gemacht. Sie versteht es, die Zuhörer durch einen geschickten dramaturgischen Aufbau ihrer Programme - aufs Engste verwoben mit Musik - und durch ihre ausdrucksstarke Interpretation von Beginn an zu fesseln. Sie ist regelmäßig bei renommierten Musik- und Literaturfestivals zu Gast, wie u. a. lit.COLOGNE, Göttinger Literaturherbst, Hamburger Herbstlese Blankenese, Frankfurter- und Leipziger Buchmesse, Europäische Kulturtage Karlsruhe, HOLK Festival, FUGATO Festival, Jüdisches Museum Berlin sowie SCHIRN Kunsthalle Frankfurt. Zudem liest sie für den Oetinger Verlag.
  • Mit einer Diskographie von über 70 Tonträgern ist Raphael Wallfisch einer der meistgespielten klassischen Künstler der Welt. Eine BBC-Umfrage bezeichnete Wallfischs Aufnahme des Dvorak-Cellokonzerts als die beste Einspielung des Werks in den letzten 25 Jahren. Raphael Wallfisch konzertiert weltweit und knüpft mit meisterhafter Technik und seinem schwebenden, singenden Ton an die Tradition seines Lehrers Piatigorsky an. Konsequent setzt er sich dafür ein, neue Musik aufzuführen oder Werke zeitgenössischer Komponisten in Auftrag zu geben, u.a. von Sir Peter Maxwell Davies, Kenneth Leighton, James MacMillan, Rodion Schedrin, John Tavener.
  • Simon Callaghan tritt international als Solist und Kammermusiker auf, parallel dazu hat er sich durch zahlreiche höchst erfolgreiche Aufnahmen einen Namen gemacht. Beim international renommierten Husum Festival »Raritäten der Klaviermusik« wurde Callaghans Konzert vom VAN Magazine als „klug kuratiertes Konzert voller Entdeckungen“ und von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „technisch brillant“ gelobt. Simon Callaghan tritt regelmäßig in den großen Konzertsälen des Vereinigten Königreichs sowie auf Tourneen in Asien, Nordamerika und Europa auf. Als Konzertsolist hat er mit dem Ulster Orchestra, dem BBC National Orchestra of Wales, der Royal Northern Sinfonia und dem Sinfonieorchester St. Gallen zusammengearbeitet. 

 

  • Porträtfoto von Johanna Krumstroh
    Johanna Krumstroh (Foto: Christian Wiswe). © Christian Wiswe
  • Porträtfoto Raphael Wallfisch
    Raphael Wallfisch (Foto: Benjamin Ealovega). © Christian Wiswe
  • Porträtfoto Simon Callaghan
    Simon Callaghan (Foto: Kaupo Kikkas). © kaupo kikkas

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