Entrechtung als Lebenserfahrung

Das Projekt Entrechtung als Lebenserfahrung – Netzwerk für Menschenrechtsbildung entwickelte zwischen 2008 und 2015 vielfältige Bildungsprogramme, in denen Ansätze der Gedenkstättenpädagogik, der historisch-politischen Bildung zum Nationalsozialismus sowie der Menschenrechts- und Demokratiebildung miteinander verknüpft wurden. In einer multiperspektivischen Herangehensweise wurde die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus und historischen Entrechtungserfahrungen mit Gegenwartsbezügen und aktuellen politischen Fragestellungen von Demokratie und Menschenrechten in innovativer und inklusiver Form miteinander verbunden. Die historisch-politische Vermittlung erfolgte mit konkretem Bezug zum historischen Ort Bergen-Belsen als ehemaliges Konzentrations- und Kriegsgefangenenlager wie auch Displaced Persons Camp.

In engem Austausch mit Projekt- und Kooperationspartnern im regionalen, nationalen sowie internationalen Kontext wurden die Bildungsansätze reflektiert und auf theoretischer und praktischer Ebene weiterentwickelt.

Das Projekt wurde gefördert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds [http://www.esf.de/portal/DE/Startseite/inhalt.html].

Menschenrechtsorientierte historisch-politische Bildung

Das Projekt entwickelte ausgehend von der Geschichte des Nationalsozialismus und den konkreten historischen Orten spezifische Formate, Methoden und Zugänge der menschenrechtsorientierten historisch-politischen Bildung. Es wurden historische Zusammenhänge und Entwicklungslinien erarbeitet und gleichzeitig aktuelle Diskurse, Kontinuitäten und Gegenwartsbezüge mit besonderem Fokus auf Menschenrechtsfragen thematisiert.

Die Auseinandersetzung mit den schrittweisen Menschenrechtsverbrechen bzw. den Verbrechen gegen die Menschheit unter dem NS-Regime und im Besonderen an Tatorten wie Bergen-Belsen erfolgte mit einem bewussten Augenmerk auf Kontinuitäten von Entrechtung und auf Gegenwartsbezüge. Durch eine Verbindung von historischer Wissensvermittlung und der Bildung über, für und durch Menschenrechte regte dieser spezifische Zugang zu einer kritischen Reflektion von menschenrechtlichen und ethischen Prinzipien an.

Gegenwartsbezogen und lebensweltlich orientiert

Das Projekt bot individuelle, biografisch gestützte und an der Lebenswelt der Zielgruppen orientierte Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit historischen Kontexten und Erfahrungen der Entrechtung und Ausgrenzung in der Zeit des Nationalsozialismus. Eine Auseinandersetzung mit Geschichte und Politik, die an alltags- und lebensweltlich relevante Interessen und soziale und politische Fragen der Teilnehmenden anknüpfte, ermöglichte intensive und nachhaltig wirkende Bildungs- und Lerneffekte.

Wertschätzung von Verschiedenheit und Vielfalt

Die im Projekt vermittelten Inhalte und Methoden sind den Prinzipien der Wertschätzung und Anerkennung von Verschiedenheit und Vielfalt in Bildungskontexten verpflichtet. Insbesondere der Ansatz der Inklusion wurde als gesellschaftliches Leitbild vermittelt. In multiperspektivischen, zielgruppenadäquaten Herangehensweisen wurden Zugänge entwickelt und angeboten, die Vielfalt und Verschiedenheit als Normalität verstehen und auch bildungsbenachteiligten Menschen Möglichkeiten und Wege der aktiven gesellschaftlichen Teilhabe eröffnen.

Handlungs- und erfahrungsorientiert

Mit interaktiven Zugängen, wie beispielsweise Plan- und Rollenspielen, wurden handlungsorientierte Lernarrangements geschaffen, die das historische Lernen als aktiven, selbstbestimmten Forschungs- und Erfahrungsprozess gestalteten. In einer Peer-to-Peer-Fortbildung zu Menschenrechten wurden Jugendliche zu Multiplikator_innen und Peers ausgebildet und lernten gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten und Handlungsspielräume zu erkennen und wahrzunehmen wie auch andere junge Menschen zur Teilhabe zu motivieren.

Publikation

Das Projekt Entrechtung als Lebenserfahrung - Netzwerk für Menschenrechtsbildung erstellte zum Abschluss der Projektlaufzeit eine Publikation, die hier als Download zur Verfügung steht. Diese enthält neben einer thematischen Einführung zu Menschenrechtsbildung und Gedenkstätten Beispiele für Kontinuitäten von Ausgrenzung, Entrechtung und Verfolgung. Darüber hinaus informieren Beiträge über verschiedene methodische Zugänge der historisch-politischen Bildungsarbeit und reflektieren über ein Transnationales Fachkräfteprogramm zwischen Deutschland, Polen und Russland.

Bernd Grafe-Ulke / Leyla Ercan:
Menschenrechtsbildung und Gedenkstätten: Grundlagen und Konzepte
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Elisabeth Desta:
Vergleichen, aber wie? Der Einfluss des Holocaust auf die Genoziddefinition und folgende Massenverbrechen
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Franziska Göpner:
Antiziganismus. Die Verfolgung der Sinti_ze und Rom_nja während des Nationalsozialismus und Kontinuitäten in der Gegenwart
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Anja Schade:
Kriegsgefangenschaft und die Genfer Konventionen damals und heute
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Methodische Zugänge: Was sind Planspiele?
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Bernd Grafe-Ulke:
Planspiel: "Alles was Recht ist!?" Simulation von Fällen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
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Anja Schade / Andreas Mischok:
Die Fahrt der Exodus 1947. Ein Planspiel zur Migration Holocaust-Überlebender als Folge des Zweiten Weltkriegs
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Franziska Göpner:
"Fight for your Rights". Peer Education als methodischer Zugang in der historisch-politischen Bildung
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Daniel Seifert:
Historisch-politische Bildung und Menschenrechtslernen in Gedenkstätten zur Erinnerung an Massengewaltverbrechen. Bericht und Reflexion über ein transnationales Fortbildungsprogramm der Gedenkstätten Bergen-Belsen, Auschwitz-Birkenau und „Perm-36“
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